Wer sich länger mit Bitoin beschäftigt hat betrachtet viele der Implikationen die sich aus Bitcoin und einer weiten Verbreitung für die Gesellschaft ergeben als offensichtlich. Aus Gesprächen, Artikeln und Kommentaren entnehme ich aber, dass vielen die entscheidenden Möglichkeiten und Konsequenzen von Bitcoin noch nicht bewusst sind. Ich möchte deshalb einen zusammenfassenden und grundlegenden Artikel schreiben, um hier aufzuklären und gerne auch zu debattieren. Dass der Artikel auf Deutsch ist und viele der Argumente normalerweise nur in englischer Sprache formuliert werden, dürfte sicherlich auch hilfreich sein. Ich werde den Artikel in Zukunft womöglich erweitern oder anpassen.
Bitcoin ist kein Spielzeug
Von vielen wird Bitcoin am Anfang als eine Art Spielzeug für Nerds wahrgenommen. Dieses Bild könnte falscher nicht sein. Tatsächlich ist Bitcoin das bislang mächtigste digitale Werkzeug, welches jemals von Hackern bzw. Cypherpunks entwickelt wurde. Es ist der erfolgreiche Versuch, ein eigenes Geld- und Wertübertragungssystem zu erzeugen und zu verwenden. Die Eigenschaften sind, dass Geld in diesem System frei fließen kann, dieses Geld fälschungssicher ist und wertstabil und dabei rein digital. Dabei gibt es keinen einzelnen Profiteur, der sich mit den Einlagen der Nutzern die Taschen füllt und die Kosten für die Nutzer sind fast vernachlässigbar. Diese Versprechen sind oft gehört und nie erfüllt worden. Entsprechend verständlich ist die Reaktion, dass dies viel zu gut klinge um wahr zu sein.
Nun sind die bisherigen Versuche solch ein System zu entwickeln vielen bekannt und entsprechend berechtigt ist ihre Skepsis. Man kennt Namen wie Paypal, Dwolla, Liberty Reserve, die Geldkarte, Online-Banking, OKPay und andere. Aus der Sicht desjenigen, der erstmals von Bitcoin hört, leistet Paypal im Wesentlichen das gleiche. Ein gewisses Maß an Zuordnungsmöglichkeit der Transaktionen zu Namen wird bei Paypal allerdings gewährleistet, denn Paypal muss sich ja an die Gesetze halten und anonymer Geldtransfer ermöglicht Geldwäsche und Schwarzhandel. Ist diese Zuordnungsmöglichkeit nicht gewährleistet – wie bei Liberty Reserve – bewegt sich der Dienstleister außerhalb der Gesetzmäßigkeit und wird früher oder später geschlossen und die Nutzer strafrechtlich belangt. Deshalb lassen die meisten Verbraucher begründet die Finger davon.
Dass die oben beworbenen Eigenschaften von Bitcoin stimmen, kann an anderer Stelle nachgeprüft werden. Was den Menschen die sich erstmals mit Bitcoin beschäftigen aber nicht sofort auffällt, ist, dass Bitcoin – auch wenn es ähnlich klingt – nichts mit den bekannten Zahlungsdienstleistern gemein hat oder haben kann. Dabei ist der ausschlaggebende Unterschied die Dezentralität des Netzwerks, welches Bitcoin betreibt. Es ist irrelevant ob Bitcoin Aktivitäten ermöglicht, die in Konflikt mit den bestehenden Gesetzen sind. Im Gegensatz zu einem zentralen Dienstleister kann der “Dienst” Bitcoin einfach nicht abgestellt werden. Hierzu müssten alle Nutzer ihr Bitcoin-Programm abschalten oder dazu gezwungen werden. Dass dies bei einem Peer-To-Peer Netzwerk aufgrund der Anzahl von Nutzern und Knoten nicht möglich ist, zeigen Dienste wie TOR oder das bekanntere Bittorrent Protokoll. Die Konsequenz die sich daraus ableitet ist radikal: Die Möglichkeiten, die Bitcoin seinen Nutzern bietet – sei es legaler Werttransfer, Geldwäsche oder Wertspeicherung – können nicht verhindert werden. Es macht keinen Sinn, Bitcoin verbieten oder Bitcoin regulieren zu wollen. Bitcoin schafft die Tatsachen und was unserer Gesellschaft und auch dem Staat bleibt, ist sich mit diesen Tatsachen zu arrangieren.
Bitcoin wird die Welt verändern
Wenn man sich mit den Konzepten von Bitcoin vertraut gemacht hat und die Vorzüge erkennt, wird es zunächst trotzdem als ein Nischenprodukt wahrgenommen. Die Möglichkeiten mit Bitcoin einzukaufen sind sehr gering. Auch fehlt eine zentrale Stelle wie bei sonstigen Zahlungsdienstleistern, die ein Interesse daran hat, ihr Produkt als Zahlungsmittel weiter zu verbreiten und zu etablieren. Die Anzahl der Akzeptanzstellen wird also nicht wie bei anderen Diensten massiv durch Werbung, Händler-Verträge und die kostenlose Bereitstellung von Infrastruktur mit dem Ziel der späteren Gewinnschöpfung voran getrieben. Eine weite Verbreitung von Bitcoin außerhalb der Kreise von Nerds, Anarchisten, Systemfeinden und Verbrechern scheint deshalb unrealistisch.
Diese Ansicht ist verständlich, aber sehr naiv. Bitcoin wird zwar bislang nur von Randgruppen genutzt, aber diese Nutzer haben bereits heute massive Vorteile gegenüber den Menschen, die Bitcoin noch nicht nutzen. Sie können Geld in Sekunden um die ganze Welt senden und von überall empfangen. Wenn sie Geld versenden, können Sie dies weitgehend anonym erledigen und gleichzeitig unzweifelhaft nachweisen, dass das Geld angekommen ist. Wenn sie Geld empfangen, ist es ausgeschlossen, dass sie betrogen werden oder dass das Geld zurückgebucht oder später aus irgendwelchen Gründen konfisziert wird. Von den meisten werden diese Dinge wohl nicht direkt als Vorteil wahrgenommen. Immerhin schätzen viele zum Beispiel die Möglichkeit, dass sie, wenn sie als Kunde bei Paypal gezahlt haben und der Händler nicht liefert, das Geld bequem zurückfordern können. Auch die Möglichkeit Konten einzufrieren und Vermögen zu konfiszieren, erscheint uns als legitime Maßnahme der Strafverfolgung. Diese sogenannten Vorteile des aktuellen Systems sind aber wenn überhaupt nur Vorteile für “die Allgemeinheit”. Es ist der Versuch den kategorischen Imperativ im Finanzsystem umzusetzen. Das rationale Individuum muss diese Vorgänge aber als persönlichen Nachteil empfinden – gerade wenn es sich immer an Recht und Gesetz hält.
Händler werden praktisch andauernd bei Zahlungen mit Paypal betrogen. Entweder wurden die Zahlungsdaten eines unbedarften Users gestohlen und missbraucht oder der Kunde selbst reklamiert eine erfundene Beschädigung oder fingiert eine nicht erfolgte Lieferung. Der Händler bleibt praktisch immer auf dem Schaden einer ohne Gegenleistung erfolgten Lieferung sitzen.
Und die meisten Bankkunden werden noch nie in der unangenehmen Situation gewesen sein, dass ihr Konto eingefroren wurde. Nun ist es aber nicht so, dass das Einfrieren des Kontos besonderen juristischen Voraussetzungen unterworfen ist. Der bloße Verdacht, dass das Konto für die Abwicklung von betrügerischen Transaktionen genutzt wurde, kann zu einer Sperrung führen. So ist es ausreichend einen handelsüblichen Überweisungsträger aus Papier mit gestohlenen (oder frei im Internet zu findenden) Kontodaten und einem unsinnigen Betreff zu füllen und das Opfer als Empfänger der Zahlung auszuweisen. Wird dieser Überweisungsträger bei der Bank eingeworfen, führt diese die Überweisung ohne Prüfung der Unterschrift aus und das Opfer erhält das Geld auf dem Konto. Nach einiger Zeit merkt die Person deren Kontodaten gestohlen wurden, dass es einen unerwünschten Geldabfluss gegeben hat und reklamiert die Überweisung. Die Bank erstattet dann im Normalfall Anzeige gegen den nach ihrer Meinung Bevorteilten der betrügerischen Überweisung, nämlich das Opfer. Dessen Konto wird gesperrt und er muss sich vor den Strafverfolgungsbehörden rechtfertigen. Ist das Konto erst einmal gesperrt beginnt ein langwieriger und kostenintensiver Prozess. Die Kosten ergeben sich hierbei in erster Linie aus den Aufwänden für einen Rechtsbeistand auf denen das Opfer sehr sicher sitzen bleiben wird, aber auch aus den Opportunitätskosten, die entstehen um den eigenen Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten: Lastschriften werden nicht mehr bedient, Bargeld kann nicht mehr abgehoben werden und Rechnungen nicht bezahlt. Selbstverständlich ist dies alles gerechtfertigt, wenn der betroffene tatsächlich ein Betrüger oder anderweitig Krimineller ist. Fakt ist aber, dass die Sperrung ohne Prüfung, ohne Anhörung des Betroffenen und vor allem ohne Beweise oder Urteil erfolgt. Die Nutzer von Bankkonten sind hier also einem System des “Im Zweifel für den Kläger” ausgesetzt. Sich dieser Willkür durch das Bankensystem zu entziehen ist ein im höchsten Maße sinnvoller und rationaler Schritt für das Individuum.
Bitcoin hat also ganz entscheidende und bahnbrechende Vorteile für den Einzelnen, auch wenn sich gesellschaftlich durch die fehlenden Zugriffsmöglichkeiten gewisse Nachteile ergeben können. Diese Erkenntnisse stellen sich zunächst bei denen ein, die bereits unter dem aktuellen System stark zu leiden habe. Sie werden das System als erste wechseln. Diejenigen, die bislang keine Probleme am aktuellen System sehen, haben verständlicherweise zunächst keinen Anreiz, selbst Bitcoins zu nutzen. Sie sollten sich dennoch damit beschäftigen und früher oder später das neue System gebrauchen, indem sie ein paar Bitcoins erwerben. Denn der Mensch ist nicht selbstlos und wird nicht zum Nutzen aller anderen am alten System festhalten, wenn sich ihm eine Alternative bietet, die ihm persönlich mehr Nutzen verspricht.
Dabei ist der Wandel von einem System auf ein neues oft einer bekannten Dynamik unterworfen. Zunächst sind nur wenige Nutzer im neuen System und die Wachstumsraten sind gering. Das alte System ist praktisch nicht beeinflusst und niemand ist gezwungen sich mit dem neuen System auseinanderzusetzen. Mit der Zeit findet das neue System aber mehr und mehr Verbreitung bis es in der Allgemeinheit bekannter wird. Es wächst rasant an und das alte System schrumpft langsam, aber spürbar. Irgendwann kommt es zu einem Punkt an dem die Dynamik kippt: Das neue System verlangsamt sein Wachstum weil es weitgehend verbreitet ist. Gleichzeitig beschleunigt sich aber der Rückgang der Nutzer des alten Systems und es verschwindet geradezu plötzlich. Beispiele für solch eine Entwicklung gibt es viele: Pferdefuhrwerke und Automobile, Briefe und Faxe, Faxe und Emails, Handys und Smartphones, Schallplatten und Kassetten, Kassetten und CDs, CDs und Streaming. Nun sind diese Beispiele alle relativ harmlos für die meisten verlaufen. Der Kollateralschaden war gering, weil nur einige wenige Firmen, die die Entwicklung womöglich zu spät begriffen haben, darunter wirtschaftlich leiden mussten. Die Bedeutung einer solchen Entwicklung im Finanzsystem ist aber von einer ganz anderen Qualität.
Wir sind in der Phase der noch geringen Verbreitung von Bitcoin und damit einem vernachlässigbaren Einfluss auf das bestehende Finanzsystem – im folgenden als “der Euro” vereinfacht, wobei hierbei natürlich auch alle anderen bekannten Währungen der Welt mit betroffen sind. Im weiteren Verlauf wird es für zahlreiche Akteure aus verschiedenen Gründen Vorteile haben, Bitcoins zu kaufen. Schließlich auch für “den kleinen Mann”, der auf Grund der unvermeidbaren, moderaten bis leicht erhöhten Inflation Werte auf die Hohe Kante legen will. Gerade aber wenn die letztere Entwicklung eintritt und Bitcoin von einer breiten Masse von Sparern als Wertspeichermöglichkeit gegen Inflation angesehen wird, kommen wir an den entscheidenden Punkt der Dynamik: Das System kippt. Es beginnt sich eine Inflationsspirale zu drehen, die unweigerlich in die Hyperinflation und schließlich die vollständige Entwertung des Euros mündet. Die letzten, die noch am alten System und dem Euro festhalten, werden die Dummen sein und mit nichts als Papier in den Händen dastehen.
Widerstand ist zwecklos
Das Bild, welches oben gezeichnet wird, mag viele Leser erschrecken und auch in Angst vor Bitcoin und ähnlichen Technologien versetzen. Und ich sage klar: ich halte diese Angst für berechtigt. Allerdings wäre es fatal, sich dieser Angst hinzugeben und deshalb den Bitcoin zu verteufeln und mit Verboten und ähnlichem zu versuchen die Entwicklung zu verhindern. Es wird nicht nur nicht gelingen, sondern uns allen schaden.
Zunächst stellt sich ansonsten aber die Frage, was genau man eigentlich verbieten möchte. Den “Bitcoin” zu verbieten ist der dümmste Ansatz. Es gibt inzwischen so viele gleichwertige Systeme, die sich nur durch ihre geringere Popularität vom Bitcoin unterscheiden, dass ihrer zählen müßig geworden ist. Sollte der Bitcoin verboten werden, wird zum Beispiel der Litecoin genutzt werden. Hier ergibt sich also höchstens ein zum Scheitern verurteiltes Katz- und Mausspiel. Etwas ausgefeilter wäre der Ansatz, dezentrale, digitale und auf kryptografischen Prinzipien basierende Währungen zu verbieten. Hierbei würde man aber schnell in Konflikte mit bestehenden und etablierten Systemen geraten. So ist es fragwürdig, ob von solchen Gesetzen nicht zum Beispiel das Gold im Computerspiel World of Warcraft betroffen wäre. Der Widerstand von einigen Unternehmen wäre jedenfalls gewiss.
Auch wenn wir feststellen, dass wir auf diese Wirtschaftszweige verzichten können und derartige Systeme verbieten würden, ist wie bei anderen Verboten der zu erwartende Effekt bekannt: Man verdrängt das “Problem” lediglich in den Untergrund. Die Nutzung von Bitcoin würde sich zwar stark reduzieren, aber aufgrund der Natur des Menschen gerade für illegale und zwielichtige Zwecke weiter bestehen. Man würde also nicht das Ziel erreichen die gesellschaftlichen Nachteile des Systems zu bekämpfen, sondern sich lediglich um die vielen positiven Effekte des Bitcoin-Systems bringen.
Auch die Maßnahmen zur Umsetzung solcher Verbote würden ganz gravierende Konsequenzen für die Gesellschaft haben. Die Natur des Bitcoin-Netzwerks ist so stark mit dem Internet an sich verknüpft, dass man das eine nicht ohne das andere Überwachen kann. Die Infrastruktur und die Maßnahmen, die für eine Bekämpfung des Bitcoin-Handels nötig sind, würden auch zu einer totalen Kontrolle des Internets führen. Eine freie Meinungsäußerung wird damit zunächst erschwert und früher oder später ganz verhindert. Durch die unabhängig ansteigende Inflation wird es dazu Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrisen und Vermögensverluste geben, die zu politischer Instabilität und möglicherweise der Machtergreifung durch radikale oder totalitäre Bewegungen führen werden. Die Totalkontrolle über das Internet dürften diese Regime zu nutzen wissen.
Bei einem Verbot von Bitcoins bezahlt die Rechnung also ausschließlich die Gesellschaft und im besonderen “der kleine Mann”. Ein Verbot ist nicht nur unnütz, sondern sogar im höchsten Maße dumm und gefährlich. Umso früher diese Einsicht in der Gesellschaft und vor allem Politik Einzug findet, umso besser können wir den Systemwechsel überstehen.
Der Bitcoin kommt in Frieden
Der Leser kann und sollte sich an dieser Stelle fragen, wieso es bei den zu erwartenden strukturellen Gefahren durch Bitcoin so viele junge, gut ausgebildete Menschen gibt, die sich mit Hingabe der Weiterentwicklung, Verbreitung und Benutzung von Bitcoin widmen. Für diese Menschen – zu denen ich mich auch zähle – sind die Vorteile von Bitcoin so entscheidend, dass die zu erwartenden Nachteile sehr guten Gewissens in Kauf genommen werden können. Dabei ist zu beobachten, dass viele einen persönlichen Wandel durchmachen, wenn sie beginnen, sich mit Bitcoin zu beschäftigen und früher oder später altvertraute und als selbstverständlich angenommene Zumutungen und Ungerechtigkeiten des aktuellen Systems in Frage stellen.
Am Beginn steht häufig die Faszination der wirklich beeindruckenden und visionären Technologie. Ich wende mich mit diesem Artikel bewusst nicht an Nerds, Hacker oder Computerwissenschaftler – diese werden wissen wovon ich spreche. Allen anderen aber sei gesagt, dass die Erkenntnis, dass es eine Möglichkeit gibt mit Paradigmen der Programmierung und Verschlüsselung eine funktionierende, extrem stabile und belastbare Alternative zum bestehenden Bankensystem zu erschaffen, von praktisch allen, die sich aus technischen Gründen mit Bitcoin beschäftigt haben, als ein einschneidendes und ganz besonders elektrisierendes persönliches Ereignis wahrgenommen wird. Die Technologie gibt uns die Möglichkeit eine Sphäre mitzugestalten, die bislang ausschließlich durch den Staat und selbst dort nur durch einige wenige “Experten” gesteuert und konzipiert wurde. Von Hackern und Programmierern wird ihre eigene Tätigkeit häufig zwar als komplex, anspruchsvoll und wertig, aber doch als eine Art Dienstleistung zur Verbesserung von bestehenden Systemen wahrgenommen. Ein gesellschaftlich so etabliertes und vor allem grundlegendes System wie das Finanzsystem neu zu gestalten und im Grundsatz herauszufordern, ist vielen vorher als unmögliches – weil durch Repression durch die bestehenden Player immer wieder verhindertes – Projekt erschienen.
Hat man sich in Bitcoin eingearbeitet und begriffen, dass die behaupteten Eigenschaften zutreffen, ergeben sich zwangsläufig sehr einfache Beobachtungen und Fragen, deren Beantwortung bislang äußert unzufriedenstellend war. Bei vielen vollzieht sich gleichsam eine Entwicklung von der Begeisterung für eine neue Idee zu der Erkenntnis, dass wir bislang in einem Finanzsystem leben, mit dem wir im höchsten Maße unzufrieden sein sollten und wir diejenigen sind, die darunter am meisten leiden. Vorteile gibt es nur für diejenigen, die das System betreiben. Weil wir aber keine Alternative haben, denken wir, dass ein solches System nur so funktionieren kann, wie heute.
Bitcoin Transaktionen werden sofort ausgeführt. Eine Banküberweisung im SEPA-Raum dauert mindestens 24 Stunden, häufig aber auch 4 Tage, wenn sie beispielsweise am Freitag oder vor einem Feiertag mit Wochenende aufgegeben wurde. Dies nehmen wir hin, weil viele noch die alten Zeiten kennen, in denen Menschen die Transaktionen überprüft haben. Heute wird dies aber von Computern erledigt. Es gibt keinen technischen Grund, dass eine Banküberweisung – zumindest im SEPA-Raum – länger als die Zeit benötigt, die man braucht um ein Elektron vom Sender zum Empfänger zu verschicken. Die Wartezeit ist eine reine Schikane durch die Banken, die von der Zwischenlagerung der Gelder profitieren, indem sie Zinsen “erwirtschaften”.
Bitcoins sind inflationsstabil. Viele fragen zu Beginn, warum der Bitcoin etwas wert sein sollte, wo er doch vermeintlich durch nichts gedeckt ist und tatsächlich niemand persönlich einen Gegenwert garantiert. Diese Frage stellen sich natürlich auch diejenigen, die Bitcoins befürworten und benutzen. Die Frage ist auch sehr nützlich, aber viel besser anders gestellt: Wieso ist der Euro etwas wert? Die Antwort ist simpel und erstaunlicherweise auch weitgehend auf den Bitcoin anwendbar. Euros sind relativ fälschungssicher und in begrenzter (eigentlich eher sehr langsam wachsender) Anzahl vorhanden. Erhält man also einen Euro, kann man sicher sein, dass man dafür etwas bekommt, weil es für denjenigen, dem man den Euro gibt, einen gewissen Aufwand bedeutet, sich den Euro anderweitig zu besorgen. Genau das gleiche gilt für den Bitcoin. Mit einem eklatanten Unterschied: Jeder weiß heute, wie viele Bitcoins es insgesamt geben wird. Es gibt keine zentrale Notenpresse die nach Gutdünken einiger weniger beliebig zum Erzeugen neuer Bitcoins missbraucht werden könnte. Dass diese Praxis in der Euro-Zone zu massiven Problemen führt, ist noch nicht allgemein ins Bewusstsein vorgedrungen, aber bereits heute Realität. Die massive Überteuerung von Immobilien in deutschen Großstädten ist ein Beispiel. Auch das gelobte “Wachstum” der deutschen Aktiengesellschaften, welches vorgeblich im DAX abgebildet wird, welcher jetzt erstmalig die 9000 Punkte-Marke überschritten hat, spricht Bände. Die Arbeitslosigkeit ist nicht gesunken und auch die orakelhaften Visionen der Wirtschafts-“Forschungs”-Institute haben sich zuletzt eingetrübt. Die Börse feiert aber neue Rekorde. Viele Dinge – wie eben zum Beispiel Wohnungen, Grundstücke und Anteile an Firmen – werden in letzter Zeit also deutlich teurer. Es gibt aber keinen Grund, warum diese mehr wert sein sollten. Dies ist klassische Inflation. Der Grund dafür ist der Missbrauch der Macht über die Gelderzeugung durch die EZB. Das ist bei Bitcoin ausgeschlossen und deshalb ein Argument für viele Nutzer, ihr Vermögen hier zu deponieren.
Bitcoin braucht keine Bank. Es waren zuletzt die Zyprer, die aus dem naiven Traum erwachen mussten, dass bei Banken gelagertes Geld sicher sei. Und zwar durch einen Eimer kaltes Wasser ins Gesicht: Teile von Guthaben von über 100.000 Euro wurden ersatzlos gestrichen. Dies waren häufig die zur Auszahlung bereitgehaltenen Gehälter von Angestellten mittelständischer Betriebe. Eine Bank ist also kein heiliger Gral für das sichere Deponieren von Geld. Tatsächlich haben wir schmerzhaft gelernt: Eine Bank spekuliert und zockt mit dem Geld der Sparer, was das Zeug hält und wird dabei nur so stark eingeschränkt, wie sie sich nicht um die Auflagen und Regelungen herum schummeln kann, die überforderte Politiker hastig aufstellen um Schlupflöcher zu flicken. Dass Geld auf dem Sparkonto gerade bei privaten Banken mit Risiko belegt ist, war vorher nur den Kennern des Systems bewusst. Mit Bitcoin kann man seine eigene Bank sein und trotzdem mit dem Geld Überweisungen ausführen und weltweit operieren. Eine Verzinsung ist auch unwichtig, weil es deflationär ist. Aber diese unsrigen Probleme mit Banken sind Luxusprobleme im Vergleich zur dritten Welt, wo die überwältigende Mehrheit der Menschen schlicht kein Bankkonto bekommt und so vollständig von einem funktionierenden Wertetransfersystem ausgeschlossen ist. Gerne werden unter dem Slogan “Banking the unbanked” Systeme wie M-Pesa gefeiert. Hierbei können die Leute Guthabenminuten per Telefon übertragen und brauchen nur eine SIM-Karte und Telefonnummer. Dass dabei der Staat 20% der Transaktionssumme als “Steuer” abgreift, wird selten erwähnt. Auch ist das Funktionieren des Systems vollständig vom Wohlwollen der Regierung abhängig. Dass sich diese in vielen afrikanischen Ländern ganz plötzlich praktisch beliebig extrem verändern kann, ist hinreichend bekannt. Bitcoin bietet den Menschen in solchen Ländern eine quasi kostenlose, sichere und unkontrollierbare Möglichkeit des Geldtransfers. Gerade letztere Eigenschaft ist in unterentwickelten Ländern mit teilweise furchtbaren und ständig wechselnden Regimen ein Pluspunkt für die Entwicklung des Landes.
Bitcoins Gebühren sind absolut. Es macht für eine Bank oder für Western Union nur einen sehr geringen Unterschied, ob sie eine Transaktion über 10 Euro oder 10.000 Euro durchführen. Trotzdem greifen Sie dabei – gerade im internationalen Geldtransfer – anteilig ab. An diese Unverhältnismäßigkeit haben wir uns gewöhnt und nehmen sie inzwischen als gegeben hin. Bitcoin kennt das System der relativen Gebühren aber nicht. Es ist irrelevant ob man Bitcoins im Wert von einigen Cents oder Millionen von Euro überträgt. Die Gebühren sind gleich, weil die zu erledigende Arbeit – das Bestätigen der Transaktion – in beiden Fällen die gleiche ist. Computer brauchen für eine Zahl immer den gleichen Speicherplatz. Es ist fast egal wie viele Nullen dahinter hängen. Wie viel Geld man dadurch sparen kann, kann sich jeder, der einmal eine Paypal-Zahlung für einen Ebay-Verkauf erhalten hat, selbst ausrechnen.
Dies sind nur einige Vorteile von Bitcoin, die so oft dazu führen, dass diejenigen, die Bitcoin benutzen sich nicht mehr vorstellen können darauf zu verzichten und nach kurzer Zeit das bisherige System und dessen Profiteure zurecht verurteilen.
Die Zukunft gestalten
Ich selbst kenne und habe Bitcoins seit 2011. Am Anfang habe ich es wie viele lediglich als Hobby und Experiment betrachtet. Erst seit Anfang 2013 bin ich regelmäßiger Teilnehmer des Bitcoin-Stammtischs in München. Diese persönliche Erfahrung, dass es so viele andere intelligente und engagierte Menschen gibt, die an eine Zukunft mit Bitcoin glauben hat mich überzeugt, dass Bitcoin viel mehr ist als die bloße Technologie.
Durch Bitcoin entstehen sowohl Risiken, als auch große Chancen für uns alle. Es nutzt aber nichts, die Hände in den Schoß zu legen und dem Systemübergang tatenlos zusehen zu wollen. Dafür steht zuviel auf dem Spiel und zu viele unbedarfte Menschen könnten auf der Strecke bleiben. Diejenigen, die das mögliche Ausmaß von Bitcoin begreifen und sich verantwortlich dafür fühlen, dass wir auch in Zukunft eine ausgeglichene, gerechte und demokratische Gesellschaft mit zufriedenen und freien Bürgern haben, müssen heute daran mitwirken, diese Gesellschaft zu formen und die Herausforderungen der neuen Technologie elegant zu meistern. Das aktuelle Personal im politischen Geschehen ist weitgehend nicht in der Lage die Bedeutung und die kommenden Herausforderungen zu erkennen oder Konzepte für einen sinnvollen Umgang damit zu entwickeln. Deshalb ist es an uns, aktiv an der Entwicklung von zum Beispiel neuen Steuerkonzepten und sinnvollen Gesetzesentwürfen mitzuwirken.
Ich begrüße deshalb ausdrücklich die Gründung des Bundesverbands Bitcoin in Berlin. Wir sollten diese gute Idee nutzen um die Ideen und Kräfte zu bündeln, um der Gesellschaft hier und heute die Hand zu reichen, gemeinsam in eine gute und möglichst stabile Zukunft zu gehen. Gleichzeitig braucht der Verband aber eine Basis. Diese kann und sollte sich meiner Meinung nach bei den Stammtischen organisieren, die vielerorts bereits heute bestehen. Ich rufe Euch hiermit auf: Bringt Euch ein und geht zu den Stammtischen! Wenn es bei Euch in der Nähe noch keinen gibt, dann gründet eben einen. Diskutiert und debattiert. Und sorgt dafür, dass Eure Stimme auch bundesweit gehört wird. Gestaltet den Bundesverband mit, damit wir mit einer koordinierten Stimme sprechen können.
Ich möchte Euch als Bitcoin-Nutzer und -Aktivisten aber auch warnen. Der Wandel zu einer Gesellschaft mit Bitcoin als Zahlungsmittel wird ein Ende des Großteils der heutigen sogenannten “Finanzwirtschaft” bedeuten. Wir legen uns wissentlich mit der mächtigsten und skrupellosesten Kraft nach dem organisierten Verbrechen an. Erwartet nicht, dass der Weg ein Spaziergang wird. Wir müssen davon ausgehen, dass VISA, Mastercard, Paypal und Western Union bereits heute durch massive Lobbyarbeit die Verbreitung von Bitcoin zu verhindern suchen. Ihr Einfluss kann gar nicht überschätzt werden. Sie werden versuchen Bitcoin-Nutzer und vor allem -Aktivisten zu kriminalisieren und in Ihren eigenen Systemen zu benachteiligen und zu schikanieren. Das System Bitcoin können sie damit nicht aufhalten. Aber diejenigen, die sich heute offen dazu bekennen, müssen sich auf Rückschläge einstellen. Sprecht miteinander, wenn ihr solche Erfahrungen macht und helft Euch: Sammelt Geld für Rechtsanwälte, wenn sich Leute aus Eurer Community ungerechtfertigten strafrechtlichen Verfolgungen gegenüber sehen. Warnt andere Nutzer vor schlechten Erfahrungen, die ihr mit dem Banken- und Zahlungsdienstleistersystem bei Bitcoin-Geschäften macht. Helft Euch gegenseitig!
Es liegen spannende Zeiten vor uns. Ich freue mich auf die Zukunft und darauf Euch spätestens am Ende des Kaninchenbaus wieder zu treffen!
Wirklich ein toller Beitrag!
LG
Hallo,
danke für den wundervollen Artikel!
Bis dann am Ende des Kaninchenbaus
Arcurus
P.s.: Wenn jemand zum Bitcoin Treff Nürnberg / Fürth kommen möchte, dann happy welcome!
Schreib doch noch den Link zu Eurer Seite oder dem Forum Thread dazu. Dann finden Euch die Leute leichter. Empfehlenswert ist auch Meetup.com
“Euros sind relativ fälschungssicher und in begrenzter (eigentlich eher sehr langsam wachsender) Anzahl vorhanden”
Dieser Satz habe ich nicht ganz verstanden. Euros werden doch seit ihrer Einführung in sehr SCHNELL wachsender Anzahl vorhanden, oder etwa nicht?
Ansonsten wie gesagt sehr schöner Artikel!
Kommt immer drauf an, was man als schnell bezeichnet. Aber ich gebe Dir Recht, dass es erstrebenswert wäre, die Geldmenge noch deutlich langsamer oder gar nicht wachsen zu lassen. Dazu auch folgender Link: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Eurozone_M3_money_supply.png