Die Bitcoin Foundation hat mir freundlicherweise den Besuch der Konferenz BITCOIN2014 in Amsterdam als Blogger ermöglicht und da will ich Euch natürlich nicht vorenthalten, was sich dort spannendes abgespielt hat.
Tag 0 – Der Abend vor der Konferenz
Ich bin wie viele andere bereits am Donnerstag, den 15. Mai nach Amsterdam angereist. Durch eine Verzögerung mit meinem Flug kam ich aber erst Nachmittags an und verpasste leider direkt ein spannendes Event: Von 13 bis 16 Uhr hat Siân Jones ein Treffen für europäische Bitcoiner organisiert, die sich für die Legislative und regulatorische Entwicklung rund um Bitcoin in Europa interessieren. Dennis Daiber war bei der Versammlung anwesend und hat sich als erster Ansprechpartner verpflichten lassen. Ich und der Bundesverband werden ihn gerne dabei unterstützen. Insgesamt war das Treffen seinem Bericht nach professionell und der Wunsch europaweit zusammen an sinnvollen Konzepten zu arbeiten war sehr deutlich. Wer sich bei diesem Thema persönlich oder mit seiner Firma einbringen will, der kann sich gerne bei mir oder beim Bundesverband Bitcoin e.V. melden.
Um 18 Uhr gab es dann im Passenger Terminal in Amsterdam den offiziellen Empfang für die Gäste der Konferenz. Nach der obligatorischen Willkommensrede wurde bei Drinks und Häppchen fleißig genetzwerkt und ich habe viele bekannte Gesichter entdecken können. Der Bundesverband Bitcoin e.V. war auch mit 4 Vorstandsmitgliedern gut vertreten. JF Gallas hatte am Nachmittag des Donnerstags im Auftrag des Vorstands den Kooperationsvertrag mit der Bitcoin Foundation unterschrieben. Dazu gibt es bald weitere Informationen vom Bundesverband selbst.
Tag 1 – Volle Kraft voraus
Der erste Tag begann mit der Keynote Speech von Patrick Byrne. Eine insgesamt kämpferische und enthusiastische Rede. Patrick Byrne ist für meinen Geschmack aber zu sehr auf die libertären Aspekte von Bitcoin konzentriert und hat mit einem extensiven Ausflug in die Historie der libertären Bemühungen meine Aufmerksamkeitsbereitschaft für dieses Thema deutlich überspannt. Neue Erkenntnisse konnte man diesem Talk nicht abgewinnen.
Unter dem reichlich überfrachteten Titel “Bitcoin’s Mainstream Moment” habe ich mir danach den Talk von Jeremy Allaire dem CEO von Circle angehört. Obwohl Circle schon länger eine Welle von vielversprechenden Buzzwords vor sich her schiebt, hatten sie bis zur Konferenz in Amsterdam noch keine konkrete Beschreibung ihrer künftigen Produkte, geschweige denn einen funktionierenden Service vorgestellt. Das sollte sich an diesem Donnerstag ändern. Nach den üblichen Ausschweifungen zur zukünftigen Entwicklung von Bitcoin, der Behauptung wir würden “dort stehen wo das Internet 1994″ war und der vollkommen willkürlichen Einzeichnung einer exponentiell ansteigenden “Wachstumskurve” mit “heute” ganz links, gab es auch endlich Fakten: Circle hat unter www.circle.com ein Webwallet mit Kauf- und Verkaufsoptionen für Bitcoin bereit gestellt. Wer sich zügig anmeldet, dem werden auch 10$ Startkapital in Bitcoin versprochen. Wahrscheinlich “so lange der Vorrat reicht”. Deshalb schnell eine Einladung anfragen! Der Service an sich ist sehr schön anzuschauen, bietet aber bis auf die Verkaufsmöglichkeit quasi das gleiche wie coinbase. Einen unique selling point konnte ich nicht ausmachen. Die Bitcoins werden angeblich auch ganz besonders sicher aufbewahrt. Es ist die Rede von “Multisig-Cold-Storage”, bewaffneten Wächtern vor gepanzerten Schließfächern und einer Versicherung für verlustig gegangene Bitcoins. Der erfahrene Bitcoiner macht sich bei solchen Stichworten natürlich höchstens Kreuze auf seinem Bullshitbingo-Zettel. Was das genau heißen soll, wollen wir erst einmal abwarten und Gewehre sind im Cyberspace bekanntlich nutzlos. Richtig funktionieren (mit Ein- und Auszahlungen auf Kreditkarten) wird das ganze ohnehin erst einmal nur in den Vereinigten Staaten. Insgesamt aber ein lobenswerter Ansatz um Bitcoin in den USA massentauglicher zu machen. Nach den großspurigen Andeutungen von Circle muss man diesen Dienst aber als eine Enttäuschung bezeichnen.
Nach diesem kurzen Talk hastete ich zum nächsten Panel im “Technology Track” unter dem Titel “Technical Possibilities of Bitcoin Exchanges” und traf ein paar Minuten zu spät ein. Das machte aber nichts, denn das mit Vertretern von Bitstamp, Kraken, Safello, Bitonic und Bitcoin Nordic eigentlich nicht schlecht besetzte Panel enttäuschte leider auf breiter Front. Es wurden zunächst halbherzig ein paar bekannte Probleme und Angriffe wie Social Engineering und DDOS Attacken diskutiert. Als nach 30 der geplanten 60 Minuten die “Diskussion” dermaßen schleppend verlief, dass es schon fast peinlich wurde, erkundigte sich der Moderator ungeschickt nach der verbleibenden Zeit und eröffnete die Runde für Fragen aus dem Publikum, was zu einigen wenigen Fragen mit kurzen Erläuterungen führte. Allerdings drehte es sich hier viel um regulatorische Fragestellungen und nicht um Technik. Insgesamt muss man festhalten, dass die Exchanges wohl kaum technische Probleme sehen, kein besonderes Interesse an zukünftigen Verbesserungen zeigen und sich für sehr gut aufgestellt halten. Details zu den Matching-Engines der einzelnen Exchanges wurden auch nicht genannt und konkreten Nachfragen ausgewichen. Hier ist mehr Transparenz von Nöten. Wer sich fragt warum, dem empfehle ich dringend die Lektüre von “Flash Boys” von Michael Lewis.
In der Mittagspause konnte man wieder ein wenig Hände schütteln, mit den wirklich schönen Booth-Babes von Bitpay oder Cloudhashing flirten und etwas zu essen gab es auch. Gestärkt und gut gelaunt freute ich mich dann um zwei auf den Talk von Gavin Andresen, dem Chef-Wissenschaftler der Bitcoin Foundation zum aktuellen Zustand des Bitcoin Protokolls.
Gavin gab eine interessante Übersicht über die letzten Entwicklungen und die noch in diesem Jahr geplanten Features. Für mich besonders interessant ist die Entwicklung zur Vereinheitlichung von HD-Wallets (Stichwort BIP 32) über alle Clients hinweg. Dieses Thema wird auch auf der Mailingliste intensiv diskutiert. Er machte aber auch auf kleinere Probleme im aktuellen Protokoll bzw. der Anwendung dessen aufmerksam. Insbesondere die kleine Blockgröße scheint ein noch nicht abschließend bewertetes Thema zu sein. Aus Angst, dass ein großer Block zu langsam durch das Netzwerk propagiert wird und quasi von einem kleinen Block überholt werden kann, scheinen viele Miner die aktuelle maximale Blockgröße nicht auszunutzen. Hier gibt es verschiedene Ansätze das Problem zu lösen und diese werden mit Bedacht diskutiert. Insgesamt ist Gavin sehr guter Dinge und das Bitcoin Protokoll steht gut da.
Der nächste Talk, den ich mir anhörte war wieder ein technisches Panel: Bitcoin – The Wish List. Von Konsens geprägt tauschten sich Entwickler von Bitcoin-QT, electrum, BOP, Ripple und Colored Coins über Schwierigkeiten und neue Möglichkeiten in den Protokollen aus. Weltbewegende Neuigkeiten gab es keine. Teilweise ergaben sich sehr detailreiche Formatierungsdiskussionen. Meine Nachfrage, bis wann man sich einmal auf ein Format mit BIP32 einigen würde wurde wohlwollend aufgenommen und mit der Bekundung von allgemeinem Interesse an einer Einigung quittiert, die Beantwortung aber vertagt.
Den Rest des Konferenztages verbrachte ich mit Gesprächen im Ausstellungsbereich. Hier gab es sehr interessante Details zur Einbindung von Ripple bei der Fidor Bank. Hierzu schreibe ich noch einen extra Beitrag. Armory war auch vor Ort und hat seine neuen Multisignatur-Features vorgestellt. Es gab auch Stände für zahlreiche neue Exchanges und vor allem Bitcoin ATMs. Meiner Meinung nach eher uninteressante Produkte, aber für den ein oder anderen womöglich hilfreich. Ich habe einige Vertreter der Bitcoin ATMs angesprochen, inwiefern sie ihre Kunden bei regulatorischen Fragen unterstützen. Die einhellige Antwort aller Hersteller von Bitcoin ATMs war: Gar nicht. So viel zur Idee einer nachhaltigen und ganzheitlichen Geschäftstätigkeit.
Im Anschluss an die Konferenz landete ich auf Umwegen zufällig auf dem Investoren-Dinner von Mastercoin in einem Nobelrestaurant. Das war zugegebenermaßen eine interessante Erfahrung. Bei Mastercoin dreht sich inzwischen viel um Maidsafe und die erfolgreiche Finanzierung des Projekts mit Bitcoins im Wert von 8 Mio USD. Maidsafe wird als die Zukunft des Internets gepriesen und entsprechend verkauft. Außerdem freut sich Mastercoin über jede neue Cryptowährung, die durch ihr Protokoll implementiert wird. Ich bin nach wie vor sehr skeptisch, was die Qualitäten von Mastercoin und vor allem Maidsafe angeht. Spannend sind diese Projekte aber allemal.
Tag 2 – Katerstimmung
Ein wenig zerknittert und ohne Frühstück (Amsterdam scheint das Konzept “Bäcker” nicht zu kennen) saß ich um kurz nach neun im sehr interessanten und erfrischend unprofessionellen Talk von Andreas und Jan von Mycelium. Sie stellten ihren neuen Entropie-Stick vor. Ein kleines USB Gerät, dass einfach in einen Drucker gesteckt wird und dann ein zufällig erzeugtes Paperwallet ausdruckt. Schöne Spielerei, aber meiner Meinung nach höchstens ein Gimmick für einige Cryptonerds. Breite Annahme am Markt prophezeie ich diesem Gerät nicht. Wer es ausprobieren will, kann es wohl demnächst bestellen. Interessanter war da schon die Ankündigung demnächst BIP32 umsetzen zu wollen und dass es jetzt auch Buy Offers beim Local Trader gibt. Obschon des etwas technischen Designs der App halte ich Mycelium zur Zeit für das beste Android Wallet. Andreas Schildbach wurde auch mit der Preisvergabe “bestes Mobile Wallet” durch die Foundation an Mycelium in Zugzwang gebracht.
Danach plätscherte der Tag etwas vor sich hin. Es waren gefühlt auch deutlich weniger Gäste anwesend und insgesamt hing ein leichter Kater über der Konferenz. Diese leichte Entschleunigung machte aber die Atmosphäre angenehm und die Gespräche etwas weniger fokussiert auf Bitcoin. Nach dem “Developers Q&A Panel” bei dem auch relativ wenig neues erzählt wurde, besuchte ich kurz ein Panel über die “Legal Definitions of Bitcoins many uses”. Sich gegenseitig bestätigend wurde die aktuelle Regulierungslandschaft beschreiben und mögliche Strategien für amerikanische Unternehmen juristisch korrekt vorzugehen, falls sie drohen in Konflikte zu geraten. Für Europäer war dieser “Regulation” Talk relativ unnütz, wie eigentlich die meisten rechtlichen Vorträge.
Über den Mittag tagte dann der Vorstand des Bundesverbands Bitcoin e.V. in offener Runde und besprach die neuesten Entwicklungen im Verein und vor allem das unterzeichnete Agreement mit der Bitcoin Foundation und die nächsten Schritte. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Bundesverband einen Kooperationsvertrag mit der Foundation eingegangen ist. Er kann sich jetzt als das “German Chapter” bezeichnen. Gewisse Infrastrukturressourcen (Homepage, Mitgliederverwaltung) werden dem Verband zur Verfügung gestellt. Die genaue Nutzung und Umsetzung wird jetzt intern geplant. Die Änderungen werden bald an die Mitglieder kommuniziert werden.
Nachmittags ergaben sich wieder zahlreiche Gespräche vor allem mit anderen Deutschen Bitcoinern. Ich habe fleißig Kärtchen verteilt und erhalten und hoffe die Vernetzung der deutschen Szene weiter voran treiben zu können. Viele haben den Bundesverband Bitcoin auch noch nicht bewusst wahrgenommen und werden sich in Zukunft dort einbringen.
Die Konferenz endete mit der Jahresversammlung der Bitcoin Foundation. Der Bericht des “Boards” überzeugte mich persönlich. Auch in Fragen der Transparenz der Gelderverwaltung und der Zielsetzung und der Projekte die besonders intensiv verfolgt werden. Ich bin mit der Arbeit des Boards zufrieden und freue mich auf die Kooperation im Bundesverband. Spannend waren allerdings die Gespräche mit nationalen Bitcoin Verbänden nach der eigentlichen Versammlung, die noch zögern den streitbaren Vertrag mit der Foundation zu unterschreiben. Ich werde mit diesen Vertretern langfristige Abstimmungen auf europäischer Ebene betreiben um Europa als eigene Stimme in der Foundation stark zu machen. Hierfür möchte ich auch gerne das World Bitcoin Forum im September in Bonn nutzen um einen “European Summit” zu organisieren. Stay tuned!
Mit einem gemeinsamen Abendessen mit zahlreichen Bitcoinern klang der Abend dann Bitcoin-mäßig aus und mit schwirrendem Kopf und einem in die Netzhaut eingebrannten “Bitcoin Symbol” stürzte ich mich ins Amsterdamer Nachtleben.
Nachlese
Zusammenfassend kann ich die Konferenz in Amsterdam nur als äußerst professionell und gelungen bezeichnen. Die Foundation hat einen großartigen Job bei der Organisation gemacht und die Talks waren hochwertig und oftmals interessant. Am wichtigsten waren aber die zahlreichen Gespräche, die man führen konnte, die neuen Menschen die man kennen gelernt hat und die Einblicke in die allgemeine Stimmung der Szene. Ich lege jedem interessierten Bitcoiner den Besuch möglichst zahlreicher Konferenzen ans Herz. Besonders spannend und ziemlich günstig ist hier die Konferenz in Köln/Bonn im September, das World Bitcoin Forum. Ich hoffe Euch dort zu sehen und freue mich auf Nachfragen in den Kommentaren!